Ich oder Ich? - Wie man im „richtigen" Film landet
Im Buch-Kapitel „Ich oder Ich" geht es um Glaubenssätze und wie sie unser Denken und die Karriereplanung beeinflussen. Eine wichtige Rolle spielen dabei „fabel"-hafte Selbsterzählungen, die man im Austausch mit Anderen immer wieder abgleichen sollte.
Mehr als nur Geschichten
Erzählungen sind zutiefst menschlich. Sie bringen uns einander näher, fördern bei Babys die Sprachentwicklung und bei Kindern die Lust auf Fantasie. Als Erwachsene kann man sich mittels Geschichten leichter in andere hinein versetzen und findet starke Vorbilder. Inneres Storytelling ist eine Fähigkeit, die hilft, Handlungsmöglichkeiten abzuwägen und Probleme aus anderen Blickwinkel zu betrachten.
Was die Wissenschaft zum „Fabulieren" sagt
Der Germanist und Kognitionsforscher Fritz Breithaupt beschreibt in „Das narrative Gehirn", dass Erzählungen uns helfen, die Welt besser zu verstehen. Wir können dadurch einzelne Ereignisse mit Sinn versehen und Erfahrungen anderen weiter geben. Das Gehirn nutzt Geschichten, um Erlebnisse zu verknüpfen und tief im Gedächtnis zu verankern. Ein evolutionsbiologischer Überlebensvorteil, der auch die Chance bietet, das eigene Leben zu „verdoppeln": Indem wir uns in Handlungsweisen „hinein fantasieren", können wir Optionen durchspielen, verwerfen oder als innere Geschichten fortsetzen.
In seinem in der Kategorie Medizin/Biologie ausgezeichneten „Wissenschaftsbuch des Jahres 2023" zeigt Breithaupt auf, dass sich unsere imaginierten Selbstbilder allerdings auch zu einer Falle entwickeln können. Wenn wir sie nicht mit einem Fremdbild von Außen abgleichen, bleiben wir in Rollenüberzeugungen hängen ("wer man ist" oder "glaubt sein zu müssen"). Einmal getroffene Entscheidungen werden dann weiter verfolgt, obwohl sie längst untauglich für uns sind.
Geschichten für neue Emotionskonzepte
Die Ergebnisse aus fast 40 Jahren Forschung hat Kathleen Wermke im für das "Wissenschaftsbuch des Jahres" nominierten „Babygesänge - Wie aus Weinen Sprache wird" verpackt. Sie vergleicht Babylaute mit Tiergesängen. Bereits Säuglinge versuchen durch Schreien, Gurren und Brabbeln eine Bindung zu ihren Bezugspersonen aufzubauen und Bedürfnisse auszudrücken. Nach und nach formt sich aus dieser „Gefühlssprache" die eigentlichen Sprache. Sprache ist wichtig, um eine Vielfalt von Gefühlen benennen und mitteilen zu können.
Spannende neue Erkenntnisse gibt es dazu in Lisa Feldman Barretts „Wie Gefühle entstehen". Die weltweit führende Psychologin und Neurowissenschaftlerin stellt mit ihrer Arbeit den Glaubenssatz auf den Kopf, dass wir Gefühlen ausgeliefert sind. In ihrer Theorie der „konstruierten Emotionen" weist sie nach, dass unser Gehirn ständig Vermutungen erstellt, wie wir uns fühlen sollten.
Sie sind also nichts angeborenes. Wir bilden Gefühls-Annahmen aus aktuellen Reizen der Umgebung, unseren Körpersignalen und auf Basis vergangener Erfahrungen. Laut Barett sind wir Architektinnen unserer Emotionen. Wir können sie steuern, in dem wir auf unsere körperliche Gesundheit achten, und uns durch neue Umgebungen und Erfahrungen auf frische Impulse einlassen.
Sich selbst den "richtigen" Film konstruieren
Folgt man all diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen brauchen wir mehr „echte" Geschichten und persönliche Begegnungen, die überraschen und irritieren. Nicht nur, um an den Erfahrungen anderer an zu knüpfen, sondern als Quelle für kraftvolle Selbsterzählungen.
Tipp: Frische Impulse kann man gewinnen - beim Voting für das österreichische „Wissenschaftsbuch des Jahres". Das Gewinnspiel für ein Bücherpaket läuft noch bis 9. Jänner 2025!