Steckbrett mit Dame
Das Verborgene und Alltägliche sichtbar machen
Zwei Maler, die den Einsatz von Farbe und Perspektive im 17. Jahrhundert genial beherrschten: Rembrandt und sein Schüler Samuel van Hoogstraten. Gekonnt erzeugten sie eine malerische Illusion von Licht und Wirklichkeit. Sie brachten damit einzelne Bildelemente zum Leuchten und lenkten die Aufmerksamkeit auf Details, die man sonst übersehen würde. Rasierpinsel, Pantoffeln, ein Vorhang oder eine Tür wirken so täuschend echt, dass man sie beinahe greifen könnte. Ebenso lebendig erscheinen die gemalten Männer und Frauen, deren Hände scheinbar aus dem Bildrahmen hervortreten. Ihr fesselnder Blick macht den Betrachter zum Betrachteten.
Raus aus der 15-Sekunden-Aufmerksamkeitsspanne
Noch bis Mitte Januar 2025 bietet das Kunsthistorische Museum Wien in einer Sonderausstellung die Gelegenheit, in die niederländischen "Augenbetrügereien" einzutauchen. Eine willkommene Abwechslung in unserer schnelllebigen, von multimedialen Bildreizen überfluteten Zeit.
Samuel van Hoogstraten gelang es den "Trompe-l'œil"-Kunststil (französisch "Täusche das Auge") zu perfektionieren. Während seines Wien-Aufenthalts 1651 wurde er für eines seiner "illusionistischen Steckbretter" vom kunstbegeisterten Habsburger Kaiser Ferdinand III. mit einer goldenen Ehrenmedaille belohnt.
Die "Steckbretter" sind gemalte Illusionen. Auf den ersten Blick wirken sie wie grobe Holztafeln, die an einer Wand befestigt sind, mit Alltagsgegenständen, die scheinbar hinter zwei Lederbändern stecken. Alles ist täuschend echt gemalt, und verleitet nach den Objekten zu greifen, um sie aus nächster Nähe zu erkunden.
Steckbrett als Selbstportrait
In einem Steckbrett aus den Jahren 1666/67 hat Van Hoogstraten 21 persönliche Gegenstände vereint. Im oberen Bereich des Gemäldes dominieren Utensilien, die auf seine Arbeit als Schriftsteller und Maler hinweisen – darunter Bücher, Dokumente, Papier, eine Papierschere, eine Schreibfeder und Siegellack. Im unteren Bereich, hinter einem roten Band, sind persönliche Körperpflegeartikel wie ein Rasierpinsel, ein Rasiermesser und Hornkämme zu sehen. Über das gesamte Brett hinweg finden sich Zeugnisse seines Erfolges, wie die Goldmedaille des Kaisers, ein Schmuckstück oder ein Lobgedicht auf seine Malkunst.
Die Objekte haben laut Kunsthistorikerinnen auch symbolische Bedeutung. Die Toilettenartikel könnten für "Reinlichkeit" im Sinne eines "reinen Herzens" stehen, während die Bügelbrille den "Sehsinn" des Malers betont. Die Schere wiederum verweist auf das Vanitas-Lebensgefühl der Barockzeit – das Bewusstsein für die Vergänglichkeit des Lebens und die Torheit an irdischen Gütern zu hängen. Nach und nach lässt sich so der Mensch hinter dem Künstler Van Hoogstraten erahnen:
Was war ihm wichtig?
Was bewegte ihn?
Womit war er erfolgreich?
Eigenes Jahresportrait erstellen
Welche Momente des Jahres 2024 waren für dich besonders prägend? Mit welchen Zielen hast du dich beschäftigt, was hast du gelernt oder losgelassen? Ein Steckbrett nach barockem Vorbild hilft ein klareres Bild von sich selbst und den Jahresaktivitäten zu bekommen.
Du musst dafür keine Malkünstlerin sein. Es reicht schon eine Pinnwand, um Fotos, Zeichnungen oder Erinnerungsstücke zu sammeln, oder ein virtuelles Board oder ein KI-generiertes Bild. Das kreative Stilleben gibt Hinweise, welche Werte und Prioritäten dich im Jahr 2024 geleitet haben und hilft abzuwägen, was im Neuen Jahr deine Aufmerksamkeit beanspruchen soll.